DÄNEMARK/RANDERS: Tötungsdelikt z. N. von Sven N. (1990)

Der Tod von Sven N. oder der Fall Marlene 

 Heute möchte ich Euch einen Mordfall aus Dänemark vorstellen. 
Dieser Fall ist etwas ausführlicher und somit auch länger. 

Bei Morden gibt es ja selten etwas zum Schmunzeln, aber in der dänischen Kriminalgeschichte gibt es zumindest einen Mord mit ausgesprochen tragikomischen Zügen. Wahrscheinlich verleitet der Tod von Sven N. zum leisen bösen Kichern, weil das Opfer ein eher unsympathischer Zeitgenosse war und an seiner eigenen recht ausgefallenen Todesart außerdem nicht ganz unschuldig war.


Der "Fall Sklavenkäfig" begann reichlich absurd damit, dass ein Mann am 16. September 1990 bei der Polizei in Randers anrief und sagte, er habe einen Käfig mit einer Leiche gefunden hatte. 
Die Polizei glaubte kein Wort, aber nach einigem Hin und Her schickte der Wachhabende eine Streife zur genannten Adresse. Und siehe da: Der Anrufer hatte nichts erfunden! 
Es gab einen Käfig mit einer Leiche!

Das ist der Originalkäfig in dem sich Sven N. einsperren ließ. 

Sven N., der nun tot in einem kleinen Käfig kauerte, wohnte zu Lebzeiten in einer äußerst gepflegten und penibel aufgeräumten weißen Villa im Randers-Vorort Kristrup. Als er mehrere Tage nicht zu erreichen war, fuhr sein Bruder zusammen mit einem Freund zu dessen Haus. Svens Auto stand vor der Garage, und es war eindeutig, dass irgendetwas nicht stimmte. Die beiden schlossen sich mit einem Reserveschlüssel ins Haus. Ein Schwarm Schmeissfliegen kam ihnen entgegen, der Gestank im Haus war unerträglich. Nur wenige Sekunden später riefen sie bei der Polizei an.
Die Küche, das Esszimmer, das Wohnzimmer und auch das Schlafzimmer waren elegant und zurückhaltend-skandinavisch eingerichtet. Aber hinter der Tür zur früheren Garage befand sich ein perfekt ausgerüsteter Folter-Keller. Dieser Geheimraum, den nur wenige kannten, war ein regelrechter Spielplatz für Sklaven und Dominas. In einer Ecke stand ein Lederbett mit Fesseln an der Wand, an den Wänden hingen alle möglichen Sorten von Peitschen. Es gab ein Andreaskreuz – und es gab einen Käfig! In diesem Käfig, der nur 67 cm hoch und 80 cm breit war, saß Sven im Schneidersitz. Er war ganz offensichtlich bereits seit einigen Tagen tot! Sein Gesicht war aufgeschwollen, überall waren fette Fliegen, im ganzen Haus stank es schrecklich!

Unter dem Käfig befand sich eine große Blutlache, aber trotzdem konnte die Polizei im ersten Moment nicht erkennen, an was der Mann eigentlich gestorben war. Bis auf ein paar lange Stiefel war Sven nackt, aber Wunden waren nicht zu sehen. Svens Geschlechtsteil war sorgfältig mit einer Schnur umwickelt, um den Hals trug er einen Stahlreifen, mit dem er am Käfig festgebunden war. Sein Hinterkopf drückte an die Oberseite des Käfigs, sein Kopf kippte dadurch leicht nach links vorne. Seine Arme waren gespreizt, und seine Hände waren mit Handschellen am Käfig gefesselt. 

Die Polizei ließ den ganzen Käfig mit Mann zur Gerichtsmedizin bringen. Erst dort stellte man fest, dass das Opfer auf der linken Halsseite mehrere Einstiche hatte. Da der Kopf nach Svens Tod zu dieser Seite gekippt war, hatte man die Wunden im ersten Moment nicht gesehen. Einige der Schnitte waren eher oberflächlich, aber auch die tieferen Schnitte waren nicht unmittelbar tödlich. Es war keine Halsschlagader getroffen. Wahrscheinlich hatte es zwischen zehn und dreißig Minuten gedauert, bis das Opfer verblutet war. 

Skizze: Das sind die Verletzungen, die zu Sven N. Tod führten. 

Svens Bruder Bernd erzählte der Polizei, dass Sven eine Freundin namens Marlene hatte. Marlene hatte Bernd vor einigen Tagen erzählt, dass Sven mit ihr Schluss gemacht hatte. Sven hatte nach einem Streit wütend das Haus verlassen und vorher von ihr verlangt, dass sie verschwinden soll. "Wenn ich wieder komme, will ich dich nicht mehr sehen", soll er gerufen haben. Marlene wartete trotzdem auf Sven, aber weil er auch nach Stunden nicht zurückkehrte, schrieb Marlene einen traurigen Abschiedsbrief und legte ihn auf den Küchentisch. Dann warf sie den Hausschlüssel in den Briefkasten, brachte Svens Hund zu Bernd und erzählte dabei vom traurigen Ende ihrer großen Liebe. Als Sven aber einfach nicht kam, um seinen Hund abzuholen, hatte Bernd angefangen, sich Sorgen zu machen.

Natürlich verdächtigte die Polizei vor allem Marlene. Bei einem ersten Verhör hielt Marlene aber an ihrer Version fest, und als die Polizei tiefer im Leben des Toten grub, fand sie eine ganze Reihe von Verdächtigen. Sven hatte noch nie ein normales brav-bürgerliches Leben geführt. Auch wenn er mit seinem aufgeräumten und eleganten Haus und seinem großen Wagen den Eindruck eines fleißigen, erfolgreichen Bürgers vermittelte, sah sein Leben doch ganz anders aus. Er hatte Kontakt zu einer Rockergruppe, und er hatte seit Jahren keine feste Arbeit gehabt. Die Polizei fand im Haus jede Menge Bargeld und Abrechnungen, die zeigten, dass andere Leute Sven jede Menge Geld schuldeten. Im Gegensatz dazu schuldete Sven seiner Bank viel Geld und seine Konten waren leer. Gleichzeitg bezog er Arbeitslosengeld, und hin und wieder schickte ihn das Arbeitsamt auch zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, an denen Sven brav teilnahm. Bei der Polizei war Sven außerdem bereits seit Jahren bekannt, weil man mehrere Male unerlaubte Waffen bei ihm gefunden hatte. Auch einige Einbrüche gingen auf sein Konto.
Von was Sven vor seinem Tod nun genau gelebt hatte, wurde nie ganz geklärt. Aber wahrscheinlich war es eine Mischung aus etwas Diebstahl, etwas Drogenhandel und etwas Geldverleih. Außerdem erhielt er ja auch noch sein Arbeitslosengeld! In seiner reichlichen Freizeit trainierte Sven seine Muskeln in einem Bodybuilder-Studio. Rein äußerlich war Sven ein harter Macho mit gestählten Muskeln, einer, vor dem die anderen Respekt, wenn nicht sogar Angst hatten.

Aber die Wirklichkeit sah auch hier anders aus. Sven war im Bett alles andere als ein Macho! Er war Masochist und Devot und genoss es, sich peinigen zu lassen. Jahrelang hatte er eine feste Domina namens Sanne. Aber die Polizei fand in Svens jede Menge Adressen von Frauen und auch Männern, mit denen Sven sadomasochistische Kontakte gepflegt hatte. Die Polizei überprüfte all diese Kontakte, die Sven in seinen sorgfältig geführten Tagebüchern finden konnte.

War der Mörder Jemand aus den SM-Kreisen, oder stammte er aus einer Rockergruppe? War es Jemand, der Sven viel Geld schuldete oder war der Täter ein Ganovenkollege oder ein Drogenhänder? Die Zahl der Verdächtigen wuchs von Tag zu Tag. Trotzdem kam die Polizei mit ihren Ermittlungen einfach nicht weiter. Aber es gab im Haus eine bestimmte Spur, die die Polizei von Anfang an wirklich stutzig gemacht hatte. Der Täter hatte ganz offensichtlich versucht, die Blutflecken neben dem Käfig mit Waschmittel wegzuputzen. Jemand, der die Leiche im Käfig und den Käfig im Haus gelassen hatte, hatte sich gleichzeitig Sorgen über Blut auf dem Teppichboden gemacht!

Ein Drogenhändler mit Putzwahn? Ein Schuldner, der noch schnell sauber wollte? Schwer vorstellbar. Nachdem die Polizei wochenlang Motive, mögliche Täter und Alibis untersucht hatte, fiel der Verdacht am Ende also doch wieder auf Marlene! Sven hatte zwar viele sexuelle Kontakte, aber Marlene galt trotzdem seit geraumer Zeit – nachdem Sanne, seine „feste Domina“ ihn verlassen hatte - als seine Freundin. Sie war die letzte, die ihn lebend gesehen hatte, und Sven hatte nach ihrer eigenen Aussage mit ihr Schluss gemacht. Aber wie hätte sie ihn nach einem Streit in den Käfig bringen können? Und welches Motiv sollte sie haben?
Marlene war damals 23 Jahre alt. Sie war eine hübsche junge Frau mit vielen Muskeln, denn sie war eine begeisterte Bodybuilderin! Zwei Mal wurde sie sogar dänische Meisterin. Als ihr erster Freund wegen Drogen in den Knast kam, wurde sie quasi über Nacht Svens Freundin. Sven wollte sie haben, und Marlene war in Sven offenbar richtig verliebt.

Sanne bildete Marlene dann sogar regelrecht für ihre neue „Berufung“ aus!. Eine Herrin aus Überzeugung wurde Marlene trotzdem nie. Sie machte immer nur das, was Sven von ihr verlangte. Sie war davon überzeugt, Sven mit viel Liebe und Zärtlichkeit von seinen masochistischen Leidenschaften befreien zu können! Daraus wurde natürlich nichts, und Sven und Marlene stritten sich immer wieder und immer heftiger. Sven verprügelte seine Domina, die absurderweise vor dem Mann, der eigentlich aus Angst vor ihr zittern sollte, immer wieder zu Freunden fliehen musste! Blaue Flecken wurden ein Teil von Marlenes Alltag! Die Beziehung stand am 16. September 1990 bereits sehr auf der Kippe!

Die Polizei hatte deshalb einen sehr logischen einen Verdacht, aber auch keinerlei Beweise! Immer wieder wurde Marlene befragt, immer wieder hielt sie an ihrer ersten Version fest. Aber am 22. November brach sie schließlich zusammen. Marlene gestand! Ihre Geschichte war so herzzerreißend, dass die Polizei mit ihrer Verdächtigen fast Mitleid bekamen.

Sven hatte sein ganzes Leben etwas anderes getan als er sagte … genau diese Ambivalenz wurde ihm am Ende zum Verhängnis. Sven war an seinem Todestag freiwillig in den Käfig geklettert. Er hatte sich von seiner „Herrin“ fesseln und ausschimpfen lassen. Dann sagte er plötzlich, dass er wieder aus dem Käfig raus will. Diese Bitte war aber ein abgesprochenes Spiel! Er bat bei jeder Käfig-Seance darum, herausgelassen zu werden und immer musste Marlene als „strenge Herrin“ diesen Wunsch ablehnen.
Nur: Dieses eine Mal hatte er es wirklich ernst gemeint! Und die verwirrte Marlene, die sowieso nur mitmachte, weil sie in Sven verliebt war, hatte ihren „Sklaven“ nicht richtig verstanden. Als Sven von Marlene nicht sofort aus dem Käfig freigelassen wurde, begann er zu schimpfen. Statt demütig abzuwarten und sich bei ihr zu entschuldigen, schimpfte und schrie er. Sein Wutanfall im Käfig wurde so heftig, dass Marlene versuchte, ihm mit einem Knebel den Mund zu stopfen, aber sein Wortstrom war nicht zu bremsen.
Marlene ging in die Küche, nahm eine Beruhigungspille und wartete ab. Als sie dachte, er hätte sich beruhigt, ging sie zurück. Aber seine Wut war nun noch größer geworden. Er drohte mit allen möglichen Brutalitäten, und am Ende sogar damit, Marlenes Hunde zu töten.
Marlene drehte durch. Sie ging in die Küche, holte ein Messer und stach es ihm in den Hals! Was danach passierte, wusste sie nicht mehr genau. Ihre Erinnerung hatte die schlimmsten Einzelheiten ausgelöscht, aber sie wusste noch, dass sie versucht hatte, das Blut mit Waschpulver vom Boden wegzuwaschen.
Kriminalassistent Stenderup Christensen war beim Verhör dabei. Er schilderte das Geständnis später so: „Erst brach sie weinend zusammen. Aber dann erzählte sie alles und sie schilderte auch viele Einzelheiten. Wir konnten merken, dass es ihr gut tat, endlich darüber zu sprechen.“
Das Gericht ließ Milde walten. Marlene wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Sie ist seit 1993 wieder frei. Was sie heute macht, ist nicht bekannt.

Quellen: - True-Crime-Storys / Crime Telegramms

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