COLD CASE DER WOCHE: Tötungsdelikt z. N. von Jessica Torstensson (1992)

Der Mord an Jessica Torstensson

Wer tötete Jessica Torstensson?


Ich habe diese Woche für das Format "Cold Case der Woche" einen skandinavischen Cold Case ausgewählt. Ich habe diese Woche die Veröffentlichung des Beitrags einen Tag vorgeschoben, da ich Euch nicht länger warten lassen wollte. Ich möchte mich in der nächsten Zeit immer mal wieder auch mit skandinavischen Vermissten- und Mordfällen beschäftigen, da ich mich seit mehreren Jahren bereits im Privaten mit skandinavischen Kriminalfällen beschäftige. Dieser schwedische Cold Case stammt aus dem Jahr 1992 und der Mord ereignete sich in Skellefteå, in der schwedischen Provinz Västerbotten län und der historischen Provinz Västerbotten. Bis heute konnte der Fall nicht aufgeklärt werden.

Der Mord an Jessica Torstensson ist seit 1999 ungeklärt.
Wer tötete Jessica Torstensson?
Foto: Unbekannt

Der Fall Jessica Torstensson

Jessica Torstensson wurde im Jahr 1973 in Skellefteå, in der schwedischen Provinz Västerbotten län und der historischen Provinz Västerbotten, geboren. [Anm. Skellefteå ist eine Stadt in der schwedischen Provinz Västerbotten und der historischen Provinz Västerbotten. Sie ist Hauptort der gleichnamigen Gemeinde und hat etwa 36.000 Einwohner.] Jessica und ihr Bruder Jerry wuchsen in Skellefteå bei ihren Eltern auf, die sich aber später scheiden ließen. Ihre Mutter lebte weiterhin mit Jessica und ihrem Bruder in Skellefteå. Das Haus befand sich im Wohnviertel Anderstorp in Skellefteå. Ihr Vater zog nach Västervik. [Anm. Västervik ist eine Stadt in der schwedischen Provinz Kalmar län und der historischen Provinz Småland. Sie trägt den Namen „Perle der Ostküste“ (schwedisch „Perle der Ostküste“) und hat etwa 22.000 Einwohner.]

Jessica wuchs in Skellefteå, in der schwedischen Provinz Västerbotten und der historischen Provinz Västerbotten auf.
Foto: Google

Nach der Scheidung zog ihr Vater ins 1049 km entfernte Västervik, in die Provinz Kalmar län und die Provinz Småland. Nach dem Schulabschluss zog Jessica ebenfalls nach Västervik.
Foto: Google Maps

Sehr bescheidenes und hilfsbereites Mädchen

Jessica ging in Skellefteå zur Schule und war sehr beliebt. Sie war sehr gut in der Schule und hatte ein normales soziales Leben. Sie war ein sehr hilfsbereites Mädchen, die sich immer für Ungerechtigkeiten und Schwächere einsetzte. Sie war Bescheiden, ehrgeizig und nahm sich Zeit zum Zuhören. Jessica Torstensson hatte wie viele Mädchen in ihrem Alter ein großes Interesse an Pferden und am Reitsport.

Jessica Torstensson war ein sehr beliebtes und hilfsbereites Mädchen.
Foto: Privat

Der Umzug nach Västervik

Nach ihrem Schulabschluss entschied sich Jessica Torstensson, bei ihrem Vater in Västervik zu leben. Im Jahr 1992 arbeitete die 19-jährige Jessica in einem Kindergarten und in der häuslichen Pflege in Västervik. Sie hatte auch fortgeschrittene Pläne, sich als Vorschullehrerin ausbilden zu lassen.

Weihnachten im Jahr 1992

Jessica Torstensson hatte während der Weihnachtstage im Jahr 1992 auch Urlaub. Deshalb hat sie sich entschieden, ihren Urlaub bei ihrer Mutter Gerd in ihrem Elternhaus in Skellefteå zu verbringen. Sie wollte einfach mit ihrer Mutter Gerd, ihrem Bruder Jerry, ihrer Großmutter und ihrem Großvater Weihnachten feiern. Jessica feierte den Heiligabend und das Auspacken der Geschenke im Kreise ihrer Familie. Es war ein stimmungsvoller Heiligabend, der nach Weihnachtsbaum, Glühwein und Kaffee roch. Mutter Gerd freute sich sehr, ihre Tochter Jessica zu Besuch zu Hause zu haben. Jessica wollte sich aber auch noch mit ihren alten Freunden treffen und feiern gehen. Darauf freute sie sich sehr.

1. Weihnachtstag 1992 [25. Dezember 1992]

Am ersten Weihnachtstag [Freitag, dem 25. Dezember], zog ein schwerer Sturm über die schwedische Provinz Västerbotten auf. Die Windböen erreichten bis zu 30 m/s. Durch die kühlende Wirkung des Windes betrug die empfundene Temperatur abends und nachts -11° Celsius. Jessica und ihre Freunde begannen den Abend mit einer Pre-Party. Es wurde getrunken, viel geredet und die Stimmung war sehr ausgelassen. 

Clubbesuch in der Innenstadt von Skellefteå

Anschließend gingen die 19-jährige Jessica Torstensson und ihre Freunde in die Innenstadt von Skellefteå, um sich Nachtclub "Etage" in Skellefteå zu vergnügen. Der Weihnachtstag ist traditionell ein klassischer Abend. Im Nachtclub "Etage" war es auch sehr weihnachtlich. Der Club war Anfang der 90er Jahre ein sehr beliebter Treffpunkt unter den Bewohnern von Skellefteå. Jessicas Freunde verließen den Nachtclub "Etage" gegen 2.00 Uhr morgens. Jessica wollte aber noch bleiben, deshalb machten sie sich ohne Jessica auf den Heimweg. 

Jessica verließ eine Stunde später den Club

Kurz vor 3.00 Uhr morgens traf Jessica die Entscheidung, den Abend in der Etage ausklingen zu lassen und ging hinaus auf den Platz, um in Richtung Kanalgatan zu gehen. Draußen war es sehr ungemütlich, die Temperaturen waren eisig und es tobte weiterhin der Sturm über die schwedische Provinz Västerbotten hinweg. Draußen im Sturm hatte Jessica versucht, jemanden zu finden, der ihr helfen könnte, nach Hause zu kommen. Zunächst fand Jessica niemand und entschied sich dafür, per Anhalter nach einer Mitfahrgelegenheit zu suchen. Und Jessica hatte Glück, denn schon kurze Zeit später nahm sie ein junges Paar mit, das sie bis in ihr Wohnviertel nach Anderstorp fuhr. Bei dem jungen Pärchen handelte es sich um einen jungen Mann mit afrikanischen Wurzeln und seiner schwedischen Freundin.
Sie bat das Paar, am ersten Parkplatz in der Skiftesgatan im Wohnviertel Anderstorp abgesetzt zu werden. Die Fahrt dauerte ca. 5-6 Minuten und war 2,1 km lang.

Das ist der Weg, den Jessica in der verhängnisvollen Nacht nahm. Sie stieg im Bereich des Clubs Etage in der Innenstadt von Skellefteå in das Fahrzeug des jungen Paares. Dann fuhr die Mitfahrgelegenheit Jessica Torstensson in das Wohnviertel Anderstorp in Skellefteå. Dort wurde sie auch zwischen 3.10 und 3.15 Uhr abgesetzt. Die Fahrt dauerte nur 5-7 Minuten und war 2,1 km lang.
Foto: Google Maps

Fahrer verpasste Parkplatz

Der Fahrer verpasste aber auf der Skiftesgatan den Haltepunkt, wo Jessica eigentlich aussteigen wollte. Stattdessen setzte der Fahrer Jessica auf einen Parkplatz weiter unten ab. Der war ca. 100 Meter vom eigentlichen Haltepunkt entfernt. Laut den späteren Zeugenaussagen des Pärchens war es zu diesem Zeitpunkt ca. zwischen 3.10 Uhr und 3.15 Uhr morgens. Auch nach dieser Zeit hat die Polizei keine Informationen über Jessica. Es ist komisch, dass Jessica sich nicht direkt beim Haus ihrer Mutter absetzen ließ, denn Jessica hätte dann noch 5-7 Minuten laufen müssen, um das Haus der Mutter zu erreichen. 


Das Viertel Anderstorp in Skellefteå. Dort lebten Jessica Torstenssons Mutter und Bruder.
Foto: Google Maps

Nachbar wurde von den Schreien einer Frau aufgeweckt

Wie bereits erwähnt, war es in dieser Nacht sehr windig in Skellefteå. Auch in der Skiftesgatan, wo Jessica sich zu diesem Zeitpunkt aufhielt, war es sehr windig. Ein Mann in der Skiftesgatan 89 wurde durch den herzzerreißenden Schrei einer Frau schnell aus seinem Schlaf geweckt. Der Schrei kam ganz aus Nähe seines Hauses. Es war zu diesem Zeitpunkt 3.45 Uhr. Der Mann stieg schnell aus dem Bett, um aus dem Fenster zu schauen. Er sah nichts und hörte nur die Winde des Sturms draußen tosen. Der Mann öffnete auch die Haustür, um den Sachverhalt genauer zu untersuchen. Aber er sah nichts auf der Straße und beschloss, wieder ins Bett zu gehen und weiterzuschlafen.

Der Bewohner in der Skiftesgatan 89 im Wohnviertel Anderstorp hörte um 3.45 Uhr einen Schrei einer Frau. Er war sich sicher, dass der Schrei aus der Nähe kam. Er überprüfte kurz die Sache, konnte aber nichts mehr hören. 
Foto: Google Maps

Der Mord

Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Jessica Torstensson nur fünfzehn Meter vom Haus des Mannes entfernt um ihr Leben. Laut den von der Polizei veröffentlichten öffentlichen Informationen wurde sie zweimal in den Rücken und einmal in den Oberschenkel gestochen/geschnitten, wodurch auch die Oberschenkelarterie durchtrennt wurde. Jessica blutete sehr stark aus ihrem Oberschenkel, doch der Blutverlust war sehr hoch. Sie schaffte es noch, um den Wohnblock in der Skiftesgatan 91 herumzukommen und stürzte dann zu Boden. Sie kroch und schleppte sich die letzten Meter bis zur Wohnungstür in der Skiftesgatan 91E.

Ein Anwohner in der Skiftesgatan 89 im Viertel Anderstorp in Skellefteå hörte um 3.45 Uhr den Schrei. In dieser Zeit kämpfe Jessica um ihr Leben. Kurz zuvor war sie Bereich zwischen der Skiftesgatan 89 und 91E angegriffen worden. Jessica klopte mehrfach an die Haustür der Skiftesgatan 91E, doch niemand hörte sie. Sie schleppte sich anschließend bis zur Skiftesgatan 91D, wo sie liegen blieb und kurz vor 6.00 Uhr morgens tot aufgefunden wurde.
Foto: Google Maps

Niemand öffnete die Tür


Es war jedoch leider niemand zu Hause. Jessica blutete weiter stark aus dem Oberschenkel und verlor immer schneller Blut. Große Blutlachen sammelten sich und liefen um sie herum über den Asphalt. Panisch versuchte sie wieder aufzustehen, stolperte aber über zwei Fahrräder, die neben der Hauswand aufgereiht waren. Sie unternahm dann einen letzten Versuch aufzustehen, aber sie fiel wieder außerhalb der Wohnung 91D zu Boden. Jessica hat wahrscheinlich versucht, die Aufmerksamkeit des Wohnungseigentümers zu erregen, indem sie an die Tür klopfte, aber niemand hörte sie in dieser stürmischen Nacht. Der Blutverlust war so groß, dass sie innerhalb von Minuten vor der Tür von 91D verblutete und starb.

Jessica stolperte in der Skiftesgatan 91E auch noch über zwei Fahrräder.
Foto: Polizei

Die Entdeckung

Am frühen Samstagmorgen des 26. Dezember 1992 [2. Weihnachtsfeiertag], machte sich ein Bewohner des Wohnblocks in der Skiftesgatan fertig zum Ausgehen. Der Sturm hattte nachgelassen. Um 5.55 Uhr morgens wurde Jessica leblos in einer großen Blutlache neben der Wohnungstür in der Skiftesgatan 91D von dem Bewohner des Wohnblocks aufgefunden. Der Notruf traf um 05.57 Uhr in der Notrufzentrale ein. Sofort wurden Krankenwagen und Polizei zum Fundort geschickt. Die eintreffenden Sanitäter konnten nichts mehr für Jessica Torstensson tun. Sie war bereits tot. Es war auch sofort klar, dass Jessica Opfer eines Verbrechens geworden ist.


Wer tötete Jessica Torstensson an Weihnachten 1992?
Foto: Google

Polizei erreichte Fundort

Die Polizei erreichte den Fundort und nahm umgehend die Arbeit auf. Die Beamten sperrten sofort einen großen Bereich um das Haus ab und behandelten den Fundort als Tatort. Die Leiche von Jessica Torstensson wurde für weitere Untersuchungen in das Rechtsmedizinische Institut gebracht.

Die Autopsie

Bei der Autopsie durch den Rechtsmediziner wurde festgestellt, dass Jessica Torstensson an den Folgen von Stich- und Schnittverletzungen gestorben ist. Der Angreifer hatte Jessica zweimal in den Rücken gestochen und einmal in den Oberschenkel geschnitten, wodurch auch die [Arteria femoralis] Oberschenkelarterie verletzt wurde und der Blutverlust in wenigen Minuten sehr hoch war. Sie muss nur wenige Minuten nach der Verletzung an der Oberschenkelarterie gestorben sein. Diese Verletzung war tödlich. Zudem hatte Jessica auch Kampfspuren und Abwehrverletzungen an den Unterarmen und Händen. Jessica muss sich verzweifelt gewehrt und um ihr Leben gekämpft haben. Bei der Autopsie wurde festgestellt, dass Jessicas Blase gerade geleert worden war. Die Blase war leer von Urin.

Toxikologische Untersuchung

Bei der toxikologischen Untersuchung kam heraus, dass Jessica einen extrem hohen Alkoholwert in ihrem Körper hatte. Sie muss laut dem Toxikologen zufolge stark betrunken gewesen sein. Zudem hatte sie auch einen hohen Koffeinspiegel in ihrem Körper. 

Die Ermittlungen

Mehr als 25 Personen arbeiteten zunächst bei der Polizei von Skellefteå an dem Fall. Allerdings begannen die Ermittlungen seitens der Polizei sehr träge und es wurde viel wertvolle Zeit vergeudet. Weihnachtsurlaub und Feiertage verhinderten eine schnelle Übermittlung wichtiger Informationen. In den ersten Tagen und Wochen trudelten nur sehr langsam Hinweise bei der Polizei ein, die auch mehrere Vernehmungen durchführte. Es wird auch angenommen, dass Jessica nach den ersten Stichen definitiv bei Bewusstsein war und sich auf den Weg zu einem nahegelegenen Haus machte und an mindestens zwei Türen klopfte; denn die Blutspuren deuten darauf hin, dass sie sich nach dem Angriff bewegt hat. Es hat sich jedoch niemand geöffnet, und sie ist anschließend verblutet. 

Die rote Strichlinie zeigt den Weg, den Jessica mit ihrer Mitfahrgelegenheit genommen hat. 
Der rote Punkt zeigt den Haltepunkt im Wohnviertel Anderstorp in Skellefteå, an dem Jessica abgesetzt wurde. Blauer Punkt markiert das Wohnhaus ihres Bruders Jerry und der grüne Punkt markiert das Wohnhaus ihrer Mutter Gerd. Die Strichlinie [Türkis] zeigt den Weg, den Jessica zunächst genommen hat, als sie abgesetzt wurde. Sie lief in die entgegengesetzte Richtung, eigentlich wollte sie bei ihrer Mutter übernachten. Jessica ist dann umgedreht und ist in Richtung ihrer Mutter gelaufen [Strichlinie Pink]. Gelber Punkt zeigt den Tatort im Bereich der Skiftesgatan 89 und 91E im Wohnviertel Anderstorp in Skellefteå.
Foto: Google Maps

Die letzte bestätigte Sichtung

Die Polizei konnte die Mitfahrgelegenheit von Jessica finden. Der junge Fahrer mit afrikanischen Wurzeln und seine schwedische Freundin waren die letzten Personen [außer dem Mörder], die Jessica gesehen haben. Laut dem Taxifahrer war Jessica in guter Laune und schien alles andere als total betrunken zu sein. Sie war leicht angetrunken, wirkte aber nach einer langen Nacht etwas müde. Nach den Aussagen des Pärchens war sie absolut bei Verstand und wachsam. 

Zeugenaussagen und Autopsiebericht unterscheiden sich

Aber die Zeugenaussagen und der Bericht der Autopsie des Rechtsmediziners unterscheiden sich. Damit tauchten immer mehr Fragezeichen auf und stellten die Ermittler vor ein Rätsel.
Der Autopsiebericht zeigte aber, dass Jessica extrem viel Alkohol in ihrem Körper hatte und stark betrunken sein sollte. Der junge Mann erzählte, dass er zu schnell gefahren war und dann die Ausfahrt verpasst hatte, die er eigentlich nehmen sollte. Deshalb fuhr er einfach weiter und hielt dann einfach an einem anderen, nur 100 Meter entfernten Parkplatz. Jessica stieg aus und winkte dem jungen Paar nochmal zu. Er sagte auch, dass er sie nicht persönlich gekannt habe, sie aber auf dieselbe Schule gegangen sind und er sie als Jessica erkannt habe.

Rekonstruktion der Nacht

Auch wie Jessica sich danach verhielt, ist völlig rätselhaft. Nachdem Jessica ausgestiegen ist, lief sie nicht gleich geradeaus zum Haus ihrer Mutter, sondern sie lief genau in die entgegengesetzte Richtung. In der entgegengesetzten Richtung befand sich das Haus ihres Bruders. Später war sie aber wieder umkehrt und lief auf dem richtigen Weg zum Haus ihrer Mutter. Auf halber Strecke wurde sie angegriffen. Auch versuchte die Polizei, die Nacht zu rekonstruieren. Wie wir wissen, wurde Jessica gegen kurz nach 3.00 Uhr nach dem Verlassen des Clubs von dem Pärchen mitgenommen. Die Fahrt dauerte ca. 5-6 Minuten und war 2,1 km lang. Sie wurde zwischen 3.10 Uhr und 3.15 Uhr in der Skiftesgatan im Wohnviertel Anderstorp
abgesetzt. Um 3.45 Uhr hörte der Nachbar in der Nähe einen Schrei. Aufgefunden wurde sie um 5.55 Uhr. Es entsteht ein Zeitfenster zwischen dem Absetzen im Wohnviertel Anderstorp zwischen 3.10 Uhr und 3.15 Uhr bis zum Schrei einer Frau um 3.45 Uhr. Daraus ergibt sich ein Zeitfenster zwischen 30 und 35 Minuten. 

Was ist in den Minuten vor ihrem Mord passiert?

Die einfache Erklärung könnte natürlich sein, dass sie in ihrer Eile einfach vergessen hatte, dass sie die Nacht bei ihrer Mutter verbringen wollte. Aber das erklärt nicht Jessicas Handlungen während der 30-35 Minuten. Trotzdem erklärt es nicht die 30-35 Minuten vor ihrem Mord. Nach wahrscheinlichen Berechnungen hätte Jessica ungefähr 5-7 Minuten brauchen müssen, um die Wohnung ihrer Mutter zu erreichen. Dieses Zeitfenster ist der Schlüssel in diesem Fall.

Die Theorien

In den Jahren nach dem Tod hat die Polizei mehrere Hypothesen aufgestellt und diskutiert. Auch wurde der Fall mit dem FBI bearbeitet, die Ermittler erhofften sich dadurch neue Erkenntnisse.

1. Theorie "Zu Besuch"

Hat Jessica Torstensson in dieser Nacht noch jemanden getroffen?

Dies halten die schwedischen Ermittler durchaus für möglich.

Jessica hatte einen hohen Alkoholwert im Blut, auch einen hohen Koffeinspiegel. Laut dem Befund der Autopsie, wurde Jessicas Blase kurz vor ihrem Tod entleert. Die Blase war leer von Urin. Aus diesen Umständen ergaben sich für die Ermittler mehr Theorien als handfeste Fakten. Eine Theorie besagt, dass sie bei jemandem zu Hause war. Vielleicht wurde sie zum Trinken von Alkohol und Kaffee eingeladen und war dort auch auf die Toilette gegangen. Gleichzeitig ist es nicht wirklich vernünftig, dass Jessica mitten in der Nacht mit einem völlig Fremden und Unbekannten mitgeht. Aber vielleicht haben sie sich im Club kennengelernt und verabredet. Das muss dann in der Stunde passiert sein, bevor sie den Club verließ. In dieser Stunde waren ihre Freunde bereits gegangen. Die Freunde sagten, dass Jessica die ganze Zeit mit ihnen zusammen war und in diesem Zeitraum niemanden kennengelernt hat.

2. Theorie "Zufallstat"

Wurde Jessica Torstensson ein Zufallsopfer?

Die zweite Theorie besagt, dass Jessica zufällig Opfer eines Verbrechens wurde. Es gab keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer.
Der Täter war ein Opportunist. Er hat seine Chance gesehen und Jessica ergriffen, ohne irgendetwas mit Jessica im Besonderen zu tun haben. Es ist auch zu einer seltsamen Zeit passiert, in der es sich anfühlt, als ob diejenigen, die nicht zu Hause bei ihrer Familie sind, auf dem Heimweg von der Kneipe sind (genau wie das Opfer selbst). Und ein junger Täter hätte so etwas nicht tun können. Vernünftigerweise sollte die Person dann jemand sein, der in der Nähe lebte und ebenfalls ausgegangen war, als er plötzlich die Idee oder den Drang hatte Jessica anzugreifen. 

Die Polizei hatte auch eine ganz bestimmte Person im Auge. Er konnte jedoch nicht vor Gericht gestellt werden, da er im Jahr 1993 zu zwangsweiser psychiatrischer Behandlung und Sozialfürsorge verurteilt wurde, nachdem er seine Frau getötet hatte ...! [Ich gehe auf diese Person, noch weiter unten im Beitrag genauer ein.]

Fazit:

Ich versuche nun mal die Theorien mit den Informationen abzugleichen und alles Stück für Stück durchzugehen.

Wir wissen, dass der Zeuge gegen 3.45 Uhr einen Schrei gehört hat. Und wir wissen, dass die Autofahrt von der Innenstadt von Skellefteå zum Wohnviertel Anderstorp etwa 5 bis 7 Minuten gedauert hat und Jessica zwischen 3.10 Uhr und 3.15 Uhr im Wohnviertel Anderstorp abgesetzt wurde. Um 5.55 Uhr wurde sie von einem Bewohner gefunden und um 5.57 Uhr erhielt die Notrufzentrale den Anruf des Bewohners über den Fund von Jessica.

Laut dem Pärchen, das Jessica in der Mordnacht mitgenommen hatte, war sie guter Laune und schien alles andere als betrunken zu sein. Sie war leicht betrunken, wirkte aber nach einer langen Nacht etwas müde. Jessica war absolut bei Verstand und wachsam. Aber der Autopsiebericht, der stattdessen auf dem Schreibtisch der Ermittler lag, zeigte, dass Jessica extrem viel Alkohol in ihrem Körper hatte und stark betrunken sein sollte. nur etwa sieben Minuten, vielleicht auch nur fünf Minuten gedauert hat, wenn Sie schnell gefahren sind [was der Fahrer auch angegeben hat]. Das bedeutet, dass die Lücke, von der wir nichts wissen, zwischen ca. 3.15- 3.45 Uhr liegt. 

Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sie sich vor dem Verlassen des Clubs noch ein paar Shots getrunken hat und es dann ein wenig dauert, bis sie ihre Jacke geholt hat, zumal sie erst gegangen ist, als sie den Club geschlossen haben. Da sie sehr müde war, hat Jessica entweder diese Schokolade, die mit Koffein gefüllt ist, gegessen oder sie hat irgendwann in dieser Nacht ein paar Koffeintabletten zu sich genommen. [Anm. Diese Dinge könnte sie aber auch zu sich genommen haben, als sie mit ihren Freunden auf dem Weg zum Club war. Sie wusste, dass es eine lange Nacht werden würde und um durchzuhalten, nahm sie die hochdosierten Koffeintabletten oder Schokolade zu sich.] Dann stieg sie in der Wohnsiedlung aus dem Fahrzeug aus und ging absichtlich in die falsche Richtung, weil sie in ihrem benebelten Zustand dachte, dass sie noch unbedingt irgendwo pinkeln gehen muss. Und für sie war es am klügsten, ein Stück zu gehen und sich ein stilles Örtchen [im wahrsten Sinne des Wortes] zu suchen. Kurz danach traf sie auf ihren Mörder, der die Idee oder den Drang hatte Jessica anzugreifen.

Die Ermittler halten es für durchaus möglich, dass Jessica in nur einer halben Stunde [vom Absetzen im Wohnviertel bis zum Schrei] irgendwo noch mehr Alkohol und auch Kaffee getrunken haben könnte. Sie könnte dann auch auf die Toilette gegangen sein. Es wäre auch möglich fast den ganzen Weg nach Hause zurückzulegen. Ist sie einfach mit einem Fremden zu ihm nach Hause gegangen? Aber wie plausibel ist das? Die Ermittler halten es für möglich, sind aber auch eher skeptisch.

Ich persönlich glaube nicht, dass Jessica sich im Club mit jemandem verabredet hat oder später mit einem Fremden mitgegangen ist. Trotzdem kann und will ich diese Möglichkeit nicht ausschließen. 

Wenn Jessica in der halben Stunde vor ihrem Tod nicht noch etwas getrunken hat, dann stellt sich mir aber die Frage: 

Wie ist dann der hohe Alkoholwert und der hohe Koffeinspiegel im Blut zu erklären?

Schließlich sagte das Pärchen, dass Jessica nur angetrunken und nicht betrunken war. Sie wäre nur müde gewesen, konnte sich aber klar artikulieren. 

Das ist doch nur eine Meinung, aber keine Tatsache. Zumindest kennen wir nicht den genauen Alkoholwert und den Koffeinspiegel von Jessica, nach Verlassen des Clubs und bei Ankunft in Anderstorp.
Und die Polizei und der Rechtsmediziner kennen die Werte auch nicht. Wir wissen eigentlich nur, wie hoch der Alkoholwert und den Koffeinspiegel im Blut, beim Eintritt des Todes von Jessica war. Der hohe Alkoholwert und der Koffeinspiegel sind aber Fakten, an denen nicht zu rütteln ist.
Wir haben doch eigentlich nur die Aussage des Pärchens, das das Gegenteil sagt. Sie gaben nämlich bei der Polizei an, dass
Jessica nur angetrunken und etwas müde war.
Aber stimmt die Wahrnehmung der Beiden überhaupt? 

Entweder ist die Wahrnehmung des Pärchens nicht richtig oder ihre Wahrnehmung ist völlig richtig, was in diesem Fall bedeuten würde, dass sie kurz nachdem Jessica abgesetzt wurde, tatsächlich irgendwo noch etwas "aufgetankt" hat. Trotzdem überzeugt mich die Theorie, dass Jessica noch bei jemandem war, nicht richtig.

[Anm. Alkohol braucht zwischen 30 und 60 Minuten, um seine volle Wirkung im Körper zu entfalten, abhängig von verschiedenen Faktoren wie Körperbau, ob man auf nüchternen Magen getrunken hat und so weiter.] 

Ich halte die zweite Theorie für am plausibelsten. Ich glaube, dass Jessica ein Zufallsopfer wurde. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Täter hat Jessica wahrgenommen und den Drang und die Idee gehabt, sie anzugreifen. Er ergriff die Chance, in dieser menschenleeren, dunklen und stürmischen Nacht, ungestört und ungesehen die Tat durchzuführen. Bei diesem Szenario hatte Jessica bereits einen hohen Alkoholwert und Koffeinspiegel im Blut, als sie abgesetzt wurde. Bei dieser Variante glauben die Ermittler, dass Jessica sich irgendwo draußen auf einem stillen Örtchen erleichtert hat, denn laut Autopsiebericht hatte sie ihre Blase kurz vor dem Tod entleert.

Was uns zu der Frage führt: Welche Leute kriegen auf einmal so eine Idee oder so einen Drang?

Die Polizei glaubt, dass dieser Mensch nicht ganz normal war. Es könnte sich um einen psychisch kranken Menschen oder um einen Menschen mit Aggressionsproblemen und Impulsstörungen handeln, was das Fenster zu potentiellen Tätern ebenfalls verengt.

Die Ermittler sind sich sicher, dass die Person zum Zeitpunkt des Mordes in der Gegend gewohnt hat. Er muss genügend Einkommen haben, um die Wohnung in diesem Wohnviertel zu unterhalten. Darüber hinaus gibt es keine Informationen, dass sich damals verdächtige Typen in der Gegend aufgehalten haben. Dies deutet darauf hin, dass die Person ausreichend funktioniert, um einen Job auszuüben. Und die Person hat wahrscheinlich auch irgendeine Form von sozialer Interaktion.  Seine Aggressionen oder/und psychischen Probleme müssen daher unter relativer Kontrolle gewesen sein. Es könnte sein, dass diese Person vielleicht wiederholt in heftige Schlägereien in einer Kneipe verwickelt ist oder er regelmäßig seine Frau geschlagen hat.

Das FBI kam ungefähr zu dem gleichen Schluss. Irgendein Spinner ist damals ausgerastet. Möglicherweise stand er selbst unter Alkoholeinfluss und der Alkohol hat seine Aggressionen befeuert. Als er Jessica sah, spürte er einen Drang, sie anzugreifen. Es gab keine Vorbeziehung zwischen dem Täter und dem Opfer. 

Person von Interesse

Leider spielten unglückliche Umstände und das Fehlen von Ermittlungsverfahren der Polizei eine große Rolle, dass es einer der interessantesten Personen gelang, unbemerkt zu bleiben. Mehrere Jahre nach dem Mord erregte diese Person das wirkliche Interesse der Polizei. Dieser Mann war zuvor wegen Sexualdelikten angeklagt worden, wurde im Zeitraum von November 1996 bis Herbst 1997 von der Polizei in Untersuchungshaft genommen. Der Mann machte bei der Befragung bestimmte Angaben, die nach Ansicht des Vernehmers darauf hindeuten könnten, dass er Kenntnis vom Mord an Jessica Torstensson hatte. Er wurde später aus Mangel an Beweisen freigelassen und nie angeklagt.

Die Polizei hatte nur Indizien und konnte ihn technisch nicht mit dem Tatort selbst in Verbindung bringen. Der Mann war in den Dreißigern, als sich Jessicas Mord ereignete, und lebte direkt gegenüber dem Tatort. Er litt an einer psychischen Störung und wurde im Jahr 1997 auch in eine psychiatrische
Nervenheilanstalt eingewiesen. Die psychiatrische Behandlung dauerte fast 20 Jahre. Der Mann starb Ende des Jahres 2016, ohne das er etwas über den Mord gesagt hat.

Das Motiv

Das Motiv für den Mord ist unklar, sexuelle Gewalt wurde nicht nachgewiesen. Es gibt Gegenstände im Ermittlungsmaterial, die möglicherweise mit einem vagen Motivbild in Verbindung gebracht werden können. In den Jahren seit dem Mord konzentrierte sich die Polizei auf drei Personen, die für die polizeilichen Ermittlungen besonders interessant waren. Alle drei wohnten im Wohngebiet und in unmittelbarer Nähe zum Tatort. Zwei dieser Personen wurden nach 1992 wegen Mordes, den sie begangen haben, verurteilt.

Die Polizei hat diese zwei anderen Mordfälle überprüft, um Ähnlichkeiten mit Jessicas Fall zu finden. Nichts stimmte mit der Herangehensweise überein, wie Jessicas Mord begangen wurde. All das Fachwissen und die erstellten Profile von Jessicas potenziellem Täter zeigten, dass diese beiden Personen nichts mit Jessicas Mord zu tun hatten. Der 30-jährige psychisch kranke Mann, der 1996 von der Polizei festgenommen wurde, passt jedoch immer noch gut ins Profil.

Mängel in der Untersuchung

Die Schwäche der Ermittlungen besteht darin, dass die Polizei in Skellefteå all die Jahre mit Ermittlungsmaterial gearbeitet hat, das von Anfang an nicht nur polizeilich mangelhaft ist. Aber auch erbärmlich schlecht umgesetzt. Der leitende Ermittler und der aktuelle Chef der Kriminalpolizei von Jessicas Fall arbeiteten nach einer These, die im Grunde bedeutete, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sahen.

Die Polizei glaubt, dass entweder der psychisch kranke Mann der Täter war, oder eine noch unbekannte Person, die es geschafft hat, bis heute unerkannt zu bleiben und von der Polizei nicht mit der Tat in Verbindung gebracht wurde. Vor allem nicht mit dem Material, das seit Beginn der Ermittlungen in den 90er Jahren vorliegt.

Vieles deutet darauf hin, dass sie ein zufällig ausgewähltes Opfer am Tatort war. Jessica war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wer der Mörder ist, wissen nur Jessica und der Täter selbst.

Aktuelle Einstufung des Falls

Der Tod von Jessica Torstensson wurde als Tötungsdelikt eingestuft. Zwar ist der Fall ein Cold Case, doch aktuell ermitteln die schwedischen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen einer Cold-Case-Untersuchung wieder in dem Fall. Der Fall ist somit aktiv.

Die Nachwirkungen

Die Familie von Jessica Torstensson hat sehr unter dem Verlust gelitten. Die Familie lebt seit 1992 in Ungewissheit, wer Jessica getötet hat und warum sie ermordet wurde. 

Die Mutter von Jessica geht regelmäßig an die Öffentlichkeit, um auf den Fall von Jessica aufmerksam zu machen. 
Foto: Google





Die Fragen der Ermittler:
  1. Wer hat Jessica Torstensson in der Nacht zum 26. Dezember 1992 im Nachtclub Etage in Skellefteå gesehen oder hat mit ihr gesprochen?
  2. Wer hat Jessica Torstensson in den frühen Morgenstunden des 26. Dezember 1992 gegen 3.00 Uhr beim Verlassen des Clubs Etage in der Innenstadt von Skellefteå gesehen?
  3. Wie war Jessicas Zustand zu diesem Zeitpunkt?
  4. Wer hat Jessica Torstensson in den frühen Morgenstunden des 26. Dezember 1992 zwischen 3.10 und 3.15 Uhr beim Verlassen eines Fahrzeugs in dem Wohnviertel Anderstorp gesehen?
  5. Wer hat Jessica Torstensson am 26. Dezember 1993 im Zeitraum von 3.15 Uhr und 3.45 Uhr im Wohnviertel Anderstorp gesehen oder weiß wo und bei wem sie sich aufgehalten hat?
  6. Wer hat in diesem Zeitraum eine verdächtige Person beobachtet oder andere Wahrnehmungen gemacht?
  7. Wer weiß, wer für den Tod von Jessica Torstensson verantwortlich gewesen sein könnte?
  8. Wer kennt die genauen Umstände und Hintergründe dieser Tat?
  9. Wer kennt eine Person, die Weihnachten 1992 im Wohnviertel Anderstorp in Skellefteå gelebt hat und an einer psychischen Erkrankung litt, Aggressionsprobleme hatte, Impulsstörungen hatte oder anderweitig aufgefallen ist?
  10. Wer hat nach der Tat, irgendwelche Gerüchte über den Mord an Jessica gehört?
  11. Wer hat sonstige Informationen zu dem Fall?

Wenn Sie Informationen zu dem Mord an Jessica Torstensson in Skellefteå im Jahr 1992 haben, dann wenden Sie sich bitte an die schwedische Polizei unter der Rufnummer 114 14 oder an jede andere Polizeidienststelle. 

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